Das Berliner Holocaust Mahnmal:
Kein Ende der Debatte
Von Ralf Bachmann, Jüdische Korrespondenz Juni 2005
Die Fragen sind nicht beantwortet, die ein so
ungeheuerlicher
Vorgang wie die Ermordung von
sechs Millionen Unschuldigen, unserer Väter,
Mütter, Geschwister und Freunde, Deutschland
und den Deutschen stellt.
Architekt Eisenman hat das Seine getan. Für den
einen ist das Stelenfeld der adäquate Ausdruck
für Schuld und Entschuldigung, für den anderen
ist es intellektuell und leblos. Wer zwischen den
Stelen geht, wird zumindest ein Gefühl von
Furcht, von Trauer, von Einsamkeit und von Angst
spüren. Eine Stätte, wo sich Denken und Mahnen
vereint, darf aber nicht nur Empfindungen auslösen.
Es muss kommenden Generationen Auskunft
geben, Lehren vermitteln. Und hier geht das Konzept
nicht auf. Der Zusammenhang zwischen Stelen
und ermordeten Juden ist nicht klar.
Der unterirdische
»Ort der Information« versucht
wenigstens auf einem Teilgebiet durch Lebensläufe,
Familienschicksale, Filme, Bilder und Opferzahlen
weiterzuführen – aber welcher Abstand
selbst da zum Beispiel zu Yad Vashem.
Prof. Julius Schoeps, einer der kompetentesten Kritiker,
der sich wie der Vorstand des Jüdischen Kulturvereins
im Laufe der 17-jährigen Vorgeschichte
wiederholt mit scharfen, aber konstruktiven Einwänden
und Anregungen zu Wort gemeldet hat,
erinnert daran, dass es bessere Vorschläge gab.
Warum griff man das »Projekt Bushaltestelle«
nicht auf, zu den authentischen Orten des Verbrechens
wie Sachsenhausen und Ravensbrück zu
fahren, statt an einem Nichtort zu gedenken. Die
Mühe wäre besser angewandt gewesen, den
schrecklichen Zustand eines Teils der einstigen
Lager zu bessern, den der Historiker Götz Aly
»gut dotierte Verwahrlosung« nennt.
Nun ist das Mahnmal eröffnet. Es wird über Generationen
Bestand haben, zu einem unübersehbaren
Fleck im Zentrum der Hauptstadt werden,
für manche ein Fleck der Schande, für manche,
wie Schoeps, »eine Art Friedhof«. Touristen aus
aller Welt werden es aufsuchen, Schulklassen
mit ihren Lehrern, an Feiertagen werden gewiss
Kränze niedergelegt, und ausländischen Staatsbesuchern
wird man es als einen Ort deutscher
Reue vorweisen. Wenn die erste Neugier gestillt
ist, wird die Mehrheit der Berlin-Besucher dann
wieder lieber zu schönen und anziehenden Plätzen
pilgern. Viele Holocaust-Überlebende werden
sich, vom pädagogischen Zweck nicht betroffen,
fragen: Muss ich mir das antun?
Vielleicht ist
der kontroverse Dialog über das Mahnmal noch
der beste Weg, der Toten zu gedenken und die
würdigste Art ihrer Ehrung zu finden.
8. Mai 1945 - 8. Mai 2005:
Nachsatz zur Vorgeschichte
Am 8. Mai 1945 endete mit der bedingungslosen
Kapitulation der Deutschen Wehrmacht der vom
Deutschen Reich zu verantwortende 2. Weltkrieg
und damit die nationalsozialistische Barbarei...
Eine zwiespältige Bilanz:
60. Jahrestag im Spannungsfeld von
Geschichte und Gegenwart
Vielleicht noch zu keinem Jahrestag der Befreiung gab es solch großes
Interesse, so viele Veranstaltungen, politische Kundgebungen,
Demonstrationen und Willensbekundungen von Bürgern dieses Landes, aber
auch von Seiten des Staates...
Rückblick:
Gedenktagtorschlusspanik
Angesichts einer spürbaren Gedenktagtorschlusspanik quoll das 60. Jahr
schon in den ersten Monaten ereignisgesättigt über den eigenen Tellerrand
hinaus...
Max
Mannheimer wurde von der Stadt München mit der Medaille in Gold
"München leuchtet - Den Freunden Münchens" für seine außergewöhnlichen
Verdienste um Aussöhnung und Toleranz geehrt.
Mannheimer, 1920 in Nordmähren geboren, überlebte die
Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz und Dachau. Er ist
Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und unermüdlich in der
Aufklärungsarbeit über die Nazi-Zeit tätig, vor allem durch
Führungen im KZ Dachau und Vorträge vor Jugendlichen.
Die Jüdische
Korrespondenz als PDF
haGalil.com - 06-06-2005 |